Auszug aus der Rede von Frau M. Werner zur Ausstellungseröffnung "Sich auf den Weg begeben", Bilder von Claudia Treutlein in Ehningen am 1. März 1997

Die Bilder von C. Treutlein führen über den ästhetischen Genuß zur Auseinandersetzung mit sich selbst, zu daraus aufkommenden Sinnfragen und sie führen schrittweise in den Prozeß einer geistlichen - spirituellen Erfahrung. Da ihre Bilder von der Arbeitstechnik auch zu den Materialbildern gehören, findet das im doppelten Sinne schichtweise statt. Als Malerin setzt sie folgende Techniken ein: Collage, schichtweiser Farbauftrag, Auflösung der Formen und Farben. Der Realitätscharakter der Bilder wird inhaltlich getragen vom Grad des Realitätsbezugs des Collageteils. Auflösetechniken deuten die Transzendenz der Materie.

Dies entspricht Spirituellem: aus buddhistischer Meditationspraxis kommend schrittweises Ablegen der lchhaftigkeit bis zur Befreiung von Anhaftungen. In christlicher Weltdeutung - Transformation nach Paulus - findet sich in den Symbolen der Nägelwunden am Kreuz: sie halten das All umfangen und bezeugen die Erlösungstat Jesus, des Christus, der zu Gott führt.

Zusammenfassend kann gesagt werden:
C. Treutlein verarbeitet in ihren Bildinhalten die Begegnung ihrer buddhistischen Meditationspraxis, gestützt von christl. Mystik, mit christlichen Weltverständnis. Ihre Meditationslehrerin ist die buddhistische Nonne Ayya Khema, die ihre Rückzugstage oft in Benediktinerabteien hält. Christliche Kontemplation findet C. Treutlein bei Johannes vom Kreuz, Teresa von Avila, Meister Eckhart usw. Ich denke, je authentischer die Sichtweise eines kunstschaffenden Menschen ist, desto intensiver dürften die Reaktionen beim Betrachten auftreten, handelt es sich doch um Begegnungen mit Neuem. Durch technische Möglichkeiten finden globale Begegnungen äußerer und innerer Art statt, durch Wissenschaft eröffnet sich kosmisches Denken. Beides führt zu einem neuen - metaphysischen - Verständnis des Menschen.

Claudia Treutlein als Künstlerin
Arbeitstechnisch handelt es sich um eine komplizierte Form von Programm und Malerei, symbolhaften Abstraktionen und realen Fragmenten. Claudia Treutlein malt Öl auf Holzplatten. Das Material allein bewirkt eine äußere Strenge. Nach der ersten Grundierung finden Collagen statt, d.h. sie appliziert Materialien aus Bereichen der Literatur, der Musik, der eigenen Biographie. Durch lasierendes, schichtweises Auftragen der Farbe erzielt sie Transparenz und Auflösung von Formen und selbst der Farben und der Symbole. Spirituell betrachtet zeigt sie buddhistisch: Auflösung von Ichhaftem zur Befreiung - ein Aspekt von Nirwana und im christlichen Sinne Erlösung und Einswerden in Gott. Der außerordentlich starke Eindruck ihrer Bilder als Fenster, Kirchenfenster, ist Symbol für Öffnung, ist wie das Öffnen unseres Herzens zu neuer Realität - zu einer wesentlichen Welt. Kunsthistorisch ergibt sich ein Spannungsbogen vom Mittelalter von Grünewalds Farbsymbolik und mittelalterlichen Kirchenfenstern, über den Futurismus / Kubismus zu Chagalls religiöser Thematik von den Gesetzen Gottes, dargestellt in christlichen Symbolen und Gestaltung von Kirchenfenstern bis zum Zeitgenössischen, repräsentiert in Jiri Kolar, dem malenden Poeten. (Ausstellung: Unterwegs ins Paradies). Zeitgenössisch adäquat stellen C. Treutleins Bilder eine neue Weltauffassung dar: vom kopernikanischen Weltbild zum Bild unserer Zeit, die von Weltraumfahrten geprägt ist, interplanetarisch denkt und forscht.
M. Werner, Wannweil, März 1997


An Gerald Moore


An Gerald Moore